Warum sich Mut zur Veränderung für Finanzdienstleister lohnt (in German)

von Dirk Kruse, CEO

Die Finanzdienstleitungsbranche befand sich schon vor der Pandemie im Wandel und war lange führend, wenn es um Technologieinvestitionen ging. So wächst die Zahl der Online-Kund:innen seit Jahren stetig; die Menge der Filialen geht kontinuierlich zurück, weil digitale Angebote zunehmen und vermehrt reine Online-Anbieter entstehen.

Verändertes Kundenverhalten stellt Unternehmen vor Herausforderungen

Doch die Pandemie hat das Kundenverhalten nun grundlegend und nachhaltig verändert. Der Weg in die Filiale wurde durch neue, digitale Vorgänge ersetzt, bargeldlose Zahlungen haben zugenommen, bestehende Dienstleistungen wurden erweitert. Laut einer Studie von McKinsey haben rund 80% der Europäer:innen mit Internetzugang während der vergangenen sechs Monate mindestens einen digitalen Dienst genutzt.

Zwar werden Verbraucher:innen zumindest teilweise wieder zu analogen Kanälen zurückkehren, doch in vielen Bereichen wollen sie digitale Dienste weiterhin nutzen. In einer Umfrage deutscher Verbraucher:innen gaben das fürs Online-Banking 86 Prozent, für Versicherungen 76 Prozent an.

Ob digitale Dienste auch in Zukunft verwendet werden, hängt entscheidend von der Zufriedenheit mit diesen ab. Die Finanzdienstleister machen also bereits einiges richtig. Dennoch: Etablierte Marktteilnehmer konkurrieren hier unmittelbar zum Beispiel mit Direkt- und Neobanken, die gleiche Produkte dank digitaler Prozesse und Cloudtechnologie schlanker, effizienter und schneller, aber mit (gleich) hoher Qualität anbieten können.

Digitale Transformation ganzheitlich angehen

Viele traditionelle Institute haben veraltete, oftmals hochgradig modifizierte IT-Systeme im Einsatz. Diese sind über die Jahre gewachsen und wurden immer komplexer und ineffizienter. Um Anwender:innen auf Dauer zu halten und ihnen das komfortable digitale Erlebnis zu bieten, das sie aus dem Privatleben gewohnt sind, müssen Altsysteme fit gemacht werden fürs digitale Zeitalter.

Bestehende Prozesse zu digitalisieren reicht alleine nicht. Vielmehr müssen sie analysiert, überarbeitet und automatisiert werden. Dabei ist der Banken- und Finanzdienstleistungssektor nicht nur durch viele spezialgesetzliche Verpflichtungen extrem stark reguliert. Finanzdienstleister erheben, verarbeiten und nutzen täglich eine Vielzahl personenbezogener, sensibler Daten. Für die sichere Datenverarbeitung und -infrastruktur spielen IT-Systeme eine wesentliche Rolle.

Gleichzeitig geht es bei der digitalen Transformation um mehr. Plattformgetriebene Unternehmen wie Amazon und Google, die ihren Kund:innen schnelle, einfache und nahtlose digitale Erlebnisse bieten, haben es vorgemacht. Das Produkt wird zum Einstieg für weitere Angebote, zum Beispiel das Empfehlen der passenden Finanzierung, einer Garantie oder zusätzlicher Online-Dienste.

Zusammen mehr erreichen

Für Finanzdienstleister heißt das, über neue, agile Geschäftsmodelle nachzudenken, die über das Kerngeschäft mit eigenen Produkten hinausgehen – und hierfür mit Fintechs, Insurtechs und anderen Marktteilnehmern in einem globalen Ökosystem mit digitalen Geschäftsplattformen zusammenzuarbeiten. Sei es als Vertriebspartner oder indem sie selber Zugang zu Drittanbietern von Krediten, Versicherungen, Finanzierungen und mehr ermöglichen.

Solche digitalen Geschäftsplattformen erlauben es Unternehmen, verschiedene Geschäftsmodelle in einem einzigen System abzubilden, ohne alte Kernsysteme ersetzen zu müssen. Banken und Versicherungen können mit Fintechs und Insurtechs zusammenarbeiten, neue Technologien wie künstliche Intelligenz oder Blockchain einbinden sowie Kundendaten austauschen und nutzen, um neue und bessere Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und schnell an den Markt zu bringen.

Im Gespräch mit Kund:innen zeigt sich ganz deutlich: Finanzdienstleister investieren bereits stark in die Digitalisierung, doch jetzt gilt es, tradierte Geschäftsmodelle kritisch zu hinterfragen, um schneller und agiler zu werden – die Verbraucher:innen immer im Fokus. Dabei haben viele Banken und Versicherungen einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: eine Marke mit Vertrauensvorschuss. Den gilt es zu nutzen. Denn nur wer den Mut hat, sich zu verändern, wird langfristig bestehen können.

Dieser Artikel ist im September 2021 im Handelsblatt Journal Banking erschienen.

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